Eine kurze Rückschau…

Museum des Kapitalismus

Von Oktober 2023 bis Februar 2024 fand an vier Online- und zwei Präsenzabenden unsere Veranstaltungsreihe “Es ist nichts zwischen uns.” – Über die Produktivität des Konflikts im feministischen Widerstreit statt. Anhand von jeweils zwei bis drei Vorträgen diskutierten wir unterschiedliche Konfliktlinien innerhalb feministischer Geschichte und Theoriebildung. 

Den Auftakt machten am 18. Oktober unter dem Titel “TEAR THE FACISTS DOWN” – Zum Verhältnis von Feminismus, Antifaschismus und der Erinnerung an den Nationalsozialismus Sina Speit und Juliane Lang. Sina Speit fokussierte in Ihrem Beitrag innerfeministische Kontroversen der neuen Frauenbewegung in den 1970er und -80er Jahre im Kontext des erinnerungskulturellen Zugangs zu weiblichen Erfahrungen im Nationalsozialismus. In ihrem Vortrag diskutierte Juliane Lang das teils problematische Verhältnis von antifaschistischer und feministischer Bewegung und Theoriebildung und warf einen kritischen Blick auf dieses „Nicht-Verhältnis“ in Anbetracht eines zunehmenden Antifeminismus. In der anschließenden belebten Debatte wurde unter anderem mit Rückgriff auf die Formen des Konflikts in den 1970er und 80er Jahren über aktuelle feministische Trennlinien anhand der gegenseitigen Bezeichnung als Antifeministinnen diskutiert.

Unter dem Titel “BURNING DOWN THE HOUSE” – Kinder haben im Kapitalismus trugen am 25.10.2023 Antje Schrupp sowie Alicia Schlender und Lisa Yashodhara Haller zu den Themen gesellschaftlicher Reproduktionssicherung, geschlechtlicher Arbeitsteilung und damit verbundener Ungleichheiten vor. Antje Schrupp präsentierte in ihrem Vortrag Thesen dazu, wie eine reproduktive Differenz des (nicht) Schwangerwerdenkönnens politisiert und für feministische Bewegungen fruchtbar gemacht werden kann. Alicia Schlender und Lisa Yashodhara Haller diskutierten in historischer Rückschau theoretische Konfliktlinien zwischen unterschiedlichen feministischen Strömungen die das Thema Mutter- und Elternschaft aufwarf. Im Anschluss entfachte eine spannende Diskussion zu vorrangig realpolitischen Kontroversen die sich unter anderem um Fragen nach aktueller Reproduktionsmedizin und der Relevanz der Ehe als staatliche Institution drehte. 

Der Abend vom 22.11.2023 thematisierte unter dem Titel POSTMODERN TALKING. Sprache als feministisches Konfliktfeld anhand der Vorträge von Katharina Lux, Elke Schimpf und Ioanna Menhard Konflikte über Verständlichkeit, über feministische Sprachkritik und die Benennung eines Subjekts des Feminismus. Anhand eines öffentlich ausgetragenen Konfliktes zwischen den beiden Zeitschriften Courage und Die Schwarze in den 1970er Jahren diskutierte Katharina Lux das Konfliktverhältnis zwischen Sprache und (politischer) Wirklichkeit sowie Wirkmächtigkeit und berichtete über die Form der Konfliktaustragung der beiden Zeitschriften. Ausgehend von den akademischen Angriffen auf die Pionierinnen und Repräsentantinnen der feministischen Sprachkritik der 1970er Jahre Senta Trömel-Plötz und Luise Pusch diskutierte Elke Schimpf die aktuell konfliktreiche öffentliche Debatte um das ‚Gendern‘ in der deutschen Sprache. Sie nahm feministische Sprachpolitiken aus einer intergenerationalen Perspektive in den Blick und diskutierte das (queer)feministische Ringen um Wahrnehmung und Anerkennung. Ionna Menhard fokussierte in ihrem Vortrag soziale Mädchen_arbeit in dem Zeitraum 1978-2023 und sprach über Konfliktpotenziale aktueller sprachpolitischen Debatten, um feministische Fragen und Konflikte rund um den Zugang und der Schaffung von Frei-Räume in einem institutionalisierten Kontext zu diskutiert. Die Diskussion führte unter anderem zu der Frage der politischen Relevanz von Verständlichkeit und damit verbundenen Ausschlüssen im Kontext von neuen Bezeichnungen und der aktuellen Kontroverse um Zugänge zu feministischen Räumen. 

Am 29.11.2023 fand der letzte Online-Abend statt. Sandra Huning und Tanja Mölders, sowie Bernadette Krejs und Susanne Mariacher vom CLAIMING*SPACES Kollektiv präsentierten unter dem Titel WHOSE CITY?! Gebaute Konfliktlinien ihre Vorträge zu feministischen Auseinandersetzungen rund um Stadtplanung und Architektur. Sandra Huning und Tanja Mölders präsentierten ihre These eines zunehmenden Auseinanderdriftens eines pragmatischen und eines strategischen feministischen Ansatzes innerhalb der Disziplinen Architektur und Stadtplanung und diskutierten die darin eingeschriebene Kluft zwischen Theorie und Praxis. Bernadette Krejs und Susanne Mariacher berichteten über ihre Arbeit in dem queer-feministisches Kollektiv CLAIMING*SPACES, über die Konfliktlinien die sich bei der Arbeit in einer Institution wie der Universität auftun und wie Konflikt ein produktives Mittel sein kann um neue Positionen und Werkzeuge für eine andere Art des Architekturschaffens und -denkens zu entwerfen. 

Am 20.01.2024 fand dann unsere erste Präsenzveranstaltung in Berlin im Museum des Kapitalismus statt. Vor mehr als 70 ZuhörerInnen stellten Ute Gerhard, Friederike Beier und Barbara Grubner unter dem Titel ATONAL. Über (Un)Vereinbarkeiten in der feministischen Geschichte, Theorie und Praxis ihre Gedanken zu Trennlinien und Verbindungslinien aktueller feministischer Strömungen vor. Ute Gerhard eröffnete den Abend mit einem historischen Abriss über die Kontroversen um Gleichheit und/oder Differenz der neuzeitlichen Geschichte des Feminismus. Sie plädierte für eine Rückbesinnung aktueller feministischer Bestrebungen auf ihre historischen Bedingungen um auf diese Weise auch die gegenwärtigen Debatten um Queer und einen materialistischen Feminismus als zukunftsfähige Strategien zu diskutieren. Friederike Beier diskutierte die gängige Einschätzung der Unvereinbarkeit von queer-theoretischen und materialistisch feministischen Theorien und Praktiken kritisch indem sie anhand eines Blickes in die Geschichte des materialistischen Feminismus zeigte, wie konstruktivistisch und heteronormativitätskritisch die Anfänge eines materialistischen Feminismus waren. Durch die Diskussion der Konfliktlinien eines materialistischen und queer-theoretischen Feminismus verdeutlichte sie die Produktivität des Konflikts sowie mögliche Verknüpfungen, Überschneidungen und Konvergenzen. Barbara Grubner stellte mit ihrem Vortrag einen anderen Ansatz des möglichen Zusammendenkens von Kapitalismus und Geschlechterhierarchie vor dessen Ausgangspunkt in der aktuellen Ausformung Care Arbeit liegt. Durch das Nachzeichnen der produktiven Verbindungslinien zwischen einem Subjekt- und Geschlechterverständnis des aktuellen Denkens der sexuellen Differenz stellte sie eine fruchtbare Verknüpfung mit marxistisch-materialistischen Perspektiven zur Diskussion. Die anschließende lebhafte Diskussion führte unter anderem zu der Frage, wie eine geschlechtslose  Gesellschaft zu denken sein kann und welchen Stellenwert das Unverfügbare in einer Betrachtung aktueller Geschlechterhierarchien spielt.

Die Abschlussveranstaltung der Vortragsreihe SHARING DIFFERENT HEARTBEATS. Feministische Utopien entwickeln – gemeinsam und in Differenz? fand am 17.02.2024 in der Frauenhetz in Wien statt. Mit 50 TeilnehmerInnen diskutierten Birge Krondorfer, Lena Böllinger und Paula Achenbach ihre Beiträge zu den Themen Gemeinsamkeit, Angewiesen-Sein, Differenz und Solidarität in der feministischen Bewegung und Theorie. Birge Krondorfer eröffnete den Abend mit einem Plädoyer unterschiedliche Stimmen des Protestes zu verbinden, ohne sie ihres Eigensinns zu berauben und Kontroverse und Widerstreit zu Synonymen dafür werden zu lassen, dass die ‚Mitte der Macht’ leer bleibt und diese leere Mitte nicht mit totalisierenden Inhalten zu besetzen. Sie argumentierte, dass Pluralität anstelle von Pluralisierung hierbei für eine gelingende Demokratie ausschlaggebend sei. Im Kontext einer kritischen Bestandsaufnahme der aktuellen feministischen Ausrichtungen argumentierte Lena Böllinger eine immer kleinteiligere Nabelschau feministischer Inhalte zu beobachten, die bereits die Sichtbarmachung von Vielfalt und Intersektionalität zum politischen Akt erhebe, dabei aber die gesellschaftstheoretische Perspektive aus dem Blick verliere. Sie plädierte für eine gesellschaftstheoretische Auseinandersetzung mit jenen Mechanismen, die kapitalistische Ausbeutung und Geschlechterhierarchie im Feld von Care und Digitalisierung miteinander verknüpfen. Paula Achenbach schloss den Abend mit einer Diskussion des Begriffs der Utopie, den sie aufgrund eingeschriebener Schließungen und Homogenisierungen auch kritisch beleuchtete. Sie sprach jedoch auch über die Kraft und ein transformatives Gefühl, das dieser entfalten könne. Die präsentierte mögliche Suchbewegungen und Fragmente verschiedener queer*feministischer Bewegungskontexte mit Blick auf Bedeutungen, Ambivalenzen, Imaginationen und Erprobungen des Utopischen sowie einer (Un-)Möglichkeit des Gemeinsamen. In der regen Anschlussdiskussion wurde unter anderem die Beobachtung einer zunehmenden Hierarchisierung feministischer Perspektiven kritisch beleuchtet und der damit verbundene Konflikt debattiert.

Zu unserer Freude, fand die gesamte Veranstaltungsreihe großes Interesse, das sich an den bis zu 100 TeilnehmerInnen pro Veranstaltungsabend und den lebhaften Diskussionen ausdrückte. Viele Themen rund um feministische Bewegungsgeschichte und Theoriebildung wurden kritisch diskutiert und viele Fragen zum Weiterdenken eröffnet. Wie wollen wir uns als FeministInnen im Konflikt begegnen? Wie können Kontroversen auch eine Produktivität entfalten? Was sind die drängenden Fragen, die wir in einem feministischen Projekt adressieren wollen? Welche theoretische Perspektive kann auf welche Weise herangezogen werden, um auch ein praktisches Eingreifen in hierarchische Geschlechterverhältnisse zu ermöglichen? Diese und viele weitere Fragen werden uns als Kollektiv und hoffentlich auch alle ZuhörerInnen weiterhin zum Nachdenken und Diskutieren bringen. Wir freuen uns auf viele weitere Projekte, die diesen Fragen und Kontroversen in einem produktiven Widerstreit nachgehen und möchten uns ganz herzlich bei allen Vortragenden und Teilnehmenden bedanken, die diese Veranstaltungsreihe mit Inhalt und Leben gefüllt haben. 

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Frauenhetz
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